Auszug aus Kapitel 1 - Licht
(...)
Es blitzte auf und wenige
Sekunden später folgte ein langes, tiefes Grollen, welches die Erde
erbeben ließ. Der Orkan peitschte durch den Wald, riss Bäume und
Sträucher aus dem Boden als ob die Wurzeln nur aus einfachen Fäden
bestanden. Ein größerer Ast verfehlte ihn dabei ganz knapp.
Doch er zögerte nicht,
hielt nicht einmal an. Selbst die Anstrengung, gegen den Wind und
bergauf zu laufen, spürte er nicht mehr. Er rutschte auf dem
feuchten Laub aus, drückte sich aber sofort wieder vom Boden ab,
denn er hatte sein Ziel klar vor Augen. Er musste zum Plateau des
Nordens, das sich zwischen den zwei größten Bergen des
Grenzgebirges befand, am Rande eines Tals, das dort versteckt lag. Es
war der Treffpunkt seiner Kämpfer, wo Pläne geschmiedet, Beschlüsse
gefasst und Entscheidungen getroffen wurden. Dort fand das Leben
seiner Gilde statt und genau dort, hoffte er, würden seine Kämpfer
ihn finden und zu ihm zurückkehren. Es war dieser eine Ort, der nur
von ihm und seiner Gilde gefunden werden konnte.
Steil
ging es in das Gebirge hinauf. Erde, Blätter und Zweige schlugen
gegen seinen Körper. Seinen rechten Arm hielt er auf Kopfhöhe, um
so sein Gesicht zu schützen. Neben ihm knackte es gefährlich und er
sah wie ein Baum umstürzte. Er sprang zur Seite, wich aus und
stürzte dabei auf den Boden, als sich ein abgebrochenes spitzes
Stück Holz in seinen Unterarm bohrte. Er fluchte vor Schmerz,
während er sich wieder aufrichtete. Blut lief an seinem Arm
herunter, über die Hände bis zu den Fingerspitzen. Er riss sich ein
Stück des Umhangs ab und wickelte es sich grob um den Arm. Er hatte
keine Zeit, die Wunde zu säubern, denn er musste weiter.
Der
Wald öffnete sich und der grüne Teppich aus Moos und Gräsern
wechselte zu einem rauen Steinboden. Die Bäume wurden kahler, einige
ragten nur noch als tote Pfähle in den Himmel oder lagen abgebrochen
zwischen den Felsen, bis keine mehr zu sehen waren.
Der
Orkan drückte gegen ihn, bremste ihn aus, sodass er immer wieder in
die Knie gehen musste. Durch die Blitze erkannte er die scharfen
Umrisse der Felsen vor sich. Die Steinmauern wurden steiler und immer
höher. Er lief zwischen den Felsen hindurch wie in einem Labyrinth.
Wenig später erreichte er eine Anhöhe, viele Meter über dem Boden,
von der aus er über die Waldkronen hätte hinweg schauen können.
Doch die Dunkelheit und das Unwetter ließen ihm keinen weiten Blick
zu.
Er wandte sich dem Berg
zu und näherte sich der Steinwand, die drohend vor ihm in den Himmel
ragte. Er wusste, dass irgendwo der Eingang zum Tal war. Er berührte
mit seiner Hand das Gestein und fuhr die Kanten entlang. Es war kalt
und rau unter seinen Fingern. Dann bewegte er sich ein paar Schritte
nach rechts, ging hinter einem kleineren Felsen entlang und
verschwand in einer Felsspalte, in der es so schwarz war, dass er
seine eigenen Hände kaum noch vor Augen sehen konnte. Nur die
Blitze, die abwechselnd aufleuchteten, zeigten ihm schwach die
Umrisse der Felswände und Vorsprünge.
Vorsichtig tastete er
sich voran. Er roch Regen in der Luft und hoffte, dass es nicht
anfangen würde, während er durch die Felsspalte ging. Als ein
weiterer Donner erschallte, zuckte er kurz zusammen, da das Gestein
erschüttert wurde und kleine Steine herunterfielen. Seine Brust
bewegte sich schnell auf und ab. Schweißperlen liefen an seinen
Schläfen herunter. Die Sturmböen wehten durch die Felsspalte. Er
hörte den Wind durch die schmalen Rillen wie Geschrei pfeifen. Es
klang wie die Gesänge der Klageweiber auf einem Begräbnis.
Nach endlosen Minuten,
die ihm wie Stunden vorkamen, erreichte er endlich den Ausgang.
(...)
Fortsetzung folgt.
Was es wohl mit dem Plateau des Nordens auf sich hat? 😮
Eure StefLabels: project-stef