Ende von Kapitel 1 - Licht
(...)
Er stützte sich kurz ab,
atmete erleichtert aus und wischte sich die Haare aus dem Gesicht.
Ein kleines Stück lag noch vor ihm, dann hatte er sein Ziel
erreicht.
Nicht länger wartend verließ er die
Felsspalte, lief einen alten Pfad entlang, dessen Untergrund
nicht mehr nur aus Stein bestand, sondern auch von Sand und Kies
bedeckt war. Dann fand er sich an einem Abhang wieder, von dem aus er
auf das kleine Tal nieder schauen konnte. Ein Ort, umgeben von
riesigen in den Himmel ragenden steinernen Wänden und Mauern,
isoliert von der Außenwelt, wo seine Gilde mitten in der Natur leben
konnte.
Er blieb stehen. Das
Tal gibt es noch, dachte er sich. Genau so, wie er es in
Erinnerung hatte. Sein Blick wanderte durch die Dunkelheit gen
Westen. Er konnte das Plateau nicht
genau sehen, doch er erkannte in der Ferne die weißen
Steinskulpturen, welche aus der Nacht hervorschimmerten wie ein Mond
zwischen Wolkenfetzen. Dort musste er hin.
Er folgte dem Abhang
linkerseits, der ihn am Rande des Tals entlang zwischen den Felsen
hindurch führte. Der Untergrund war felsig, ein Weg nicht mehr
sichtbar. Steinschläge hatten den Hang zerklüftet und uneben
gemacht. Mehrere Felsbrocken erschwerten seinen Gang, über die er
hinweg klettern musste. Das Gewitter behinderte die Sicht, Regen
setzte ein und der Donner schallte noch lauter durch das Tal, doch
der Orkan hatte nachgelassen. Vorsichtig tastete er sich an den
Felsen vorbei, um nicht den
Abhang hinunter zu stürzen. Eine Unaufmerksamkeit und alles wäre
vorbei.
Schließlich erreichte er
das Ende des Abhanges und steuerte das Plateau an. Noch wenige
Schritte lagen vor ihm. Dann endlich erreichte er den Kreis mit den
Skulpturen.
Es waren sechs riesige
aus Stein gemeißelte Figuren von Kämpfern, doppelt so groß wie er,
die in einem Kreis angeordnet waren. Ihr Mittelpunkt war ein Felsen,
so unscheinbar und unauffällig, dass ein Fremder ihn nicht weiter
beachtet hätte. Dennoch strahlte er etwas Mystisches aus, ein
Geheimnis, älter als alle Menschen auf der Welt. Auch der Boden
bestand aus dem weißen Gestein. Magische Zeichen waren darin
eingeritzt, die nach der langen Zeit kaum noch zu erkennen waren.
Moos hatte die Linien überwuchert, Sand und Staub hatten sich in den
feinen Rillen und Furchen angesammelt und Herbstlaub dämpfte seine
Schritte auf dem Boden. Er und seine Kämpfer waren es, die das
Plateau angelegt hatten. In mühseliger Arbeit hatten sie die Symbole
der Waffen, die Runen des Himmels, die Schutzzeichen der Elfen in den
Boden geschlagen. Nichts davon konnte er mehr erkennen.
Ein seltsames Gefühl
durchfloss jede Ader seines Körpers. Auf einmal war die
Vergangenheit näher als er gedacht hätte. Erinnerungen, die
vergessen schienen, kehrten in seine Gedanken zurück. Seine Kämpfe,
die er gefochten, die Freundschaften, die er geschlossen, seine
Kämpfer, die ihm die Treue geschworen hatten. Mit zögernden
Schritten näherte er sich dem Felsen. Sein Atem ging langsam, seine
Hände ballten sich zu Fäusten und seine Kiefer presste er zusammen.
Kurz bevor er seine Hände auf den Felsen legte,
hielt er inne.
Er
war angekommen, er hatte diesen Ort erreicht. Den Ort, den er vor
fünf Jahren verlassen hatte. Noch konnte er gehen, alles dabei
belassen wie es war. Er konnte ins Exil zurückkehren und für immer
verschwinden. Nein,
dachte er sich. Ich habe
dem Volk geschworen, es zu beschützen. Dieses Land ist meine Heimat.
Ich gehöre hier her.
Er schloss die Augen, atmete tief durch und drückte seine Hände schließlich
auf das kalte, nasse Gestein.
Ein kurzer Stromschlag
traf ihn, fuhr ihm durch alle Knochen. Dann begann er leise zu
murmeln. Um ihn herum vergaß er alles, er konzentrierte sich nur auf
die Worte. Er wusste sie noch genau, obwohl das letzte Mal sehr lange
her gewesen war. Seine gesamten Muskeln spannten sich an. Er spürte
wie sich ein seltsames Kraftfeld um den Felsen legte. Dann begann der
Stein aus dem Inneren zu leuchten. Erst kaum erkennbar, dann immer
heller und heller. Seine Hände fingen an zu zittern, sie
verkrampften. Er konnte der Kraft kaum noch Stand halten. Blitze
brachen aus der Wolkendecke heraus, die Erde erzitterte. Mit
einem lauten Donnerschlag flog er rückwärts aus dem Kreis hinaus.
Hart prallte er auf den
Boden auf und stöhnte. In seinen Ohren fiepte es. Er fuhr sich mit
der Hand über das Gesicht und blickte erschöpft auf. Nichts
geschah. Regen prasselte auf ihn nieder und durchnässte ihn bis auf
die Knochen. Mit der Faust schlug er auf den Boden. Hatte er sich
versprochen? Hatte er die Worte verwechselt? Oder Worte vergessen? Er
legte seinen Kopf auf den nassen Boden auf, während die Regentropfen
auf sein Gesicht fielen.
Seine Augen blickten zum
schwarzen Himmel hinauf, als es hell vor ihm wurde. Die Zeichen auf
den Boden begannen zu leuchten, das Moos verbrannte augenblicklich,
der Sand wurde weggespült und das Licht pulsierte wie ein Herz.
Trotz der Nässe spürte er die Wärme unter ihm. Wieder bebte es.
Eine ohrenbetäubender Knall dröhnte durch das Tal, den er nur dumpf
wahrnahm, da es immer noch in seinen Ohren fiepte. Erschrocken
richtete er sich auf, konnte jedoch nicht richtig sehen, weil ihn
etwas blendete. Als er zum Felsen sah, betrachtete er durch seine
Finger die gigantische Lichtsäule, die so hell wie das Sonnenlicht
empor loderte, höher als alle Gebirge der Welt.
Lichtfels lachte auf. Er
hatte daran gezweifelt, ob es funktionierte, doch er stand leibhaftig
davor. Dies war seine Bestimmung, dessen war er sich sicher. Er musste nur
noch warten, darauf, dass irgendwo seine Kämpfer das Licht sahen und
es erkannten - seinen Ruf, sein Zeichen. Er war zurückgekehrt.
Ende Kapitel 1.
Was sagt ihr? 😊
Eure Stef
Labels: project-stef